Tobias Sammelsurium der Woche #28/2025
Das Internet ist eine äußerst segensreiche Erfindung. Wir können Dinge bestaunen und lernen, von denen wir ohne das Internet noch nicht wüssten, dass sie existieren.
Dieses Internet machte mich also neulich auf einen aus China stammenden modischen Trend für ältere Männer aufmerksam, den Beijing Bikini. Während die westliche Mode den Bikini für eine textilarme Verhüllung von Frauenkörpern zum Wasser- und Sonnenbaden hält, ist sein östliches Pendant keine große Schneiderkunst.
Schlicht durch das Hochrollen des T-Shirts bis knapp über den Bauchnabel versuchen sich Männer Kühlung an heißen Tagen zu verschaffen. Die Träger sind dabei nicht crossfit-gestählte Sixpack-Poser, sondern väterliche Dadbod-Besitzer.
Die hierzulande gerne Bierbauch oder Schnitzelgewölbe genannte Körperausdehnung hat bisher wenig Liebe in der öffentlichen Wahrnehmung erfahren. Auch in China ist das nicht anders. Beijing-Bikini-Träger werden 膀爷 genannt, was übersetzt wohl entblößter Opa oder Bauchonkel heißt.
Aus Marketingsicht sind das natürlich extrem schlechte Voraussetzungen, um dem Krempel-Bikini zum globalen Durchbruch zu verhelfen. Auch in China nimmt die Zahl der entblößten Bäuche derartig zu, dass deren Zurschaustellung in den ersten Städten bereits verboten wird.
Dabei sind es nicht nur ästhetische Gründe, die die Bauchonkel anführen um ihre Körpermitte zu entblößen. In der traditionellen chinesischen Medizin ist der Bauch für die Energiezirkulation zuständig und ohne eine störende Stoffschicht soll die viel besser laufen.
Kulturell und geografisch sehr weit weg von China liegt Brasilien. An den Stränden dort sind die knappsten der knappen Bademoden gerade recht. In der Vogue ist zu lesen, dies sei Ausdruck der dortigen Body Positivity und zwar ganz unabhängig von Alter, Geschlecht und vor allem Gewicht.
Das Internet ist eine segensreiche Erfindung. Aber es ist völlig offen, ob als kulturelle Fusion der Brazilian-Beijing-Bikini die Welt im Sturm erobern wird. Ich habe das T-Shirt mal testweise vor dem Spiegel hochgerollt und dann festgestellt, dass ich weder brasilianische noch chinesische Wurzeln habe. Sicherlich bin ich aber auch einfach noch viel zu jung, um ein Bauchonkel zu sein.
Dir einen modischen Sonntag!
T.
Post der Woche

Fünf fürs Wochenende
Warum das Regenradar eine trostlose Erfindung ist
Heute muss ich mich in meiner Familie unbeliebt machen. Es gibt dort nämlich einige Regenradarfetischisten. Mich hingegen interessiert die Frage ob es heute regnen wird gar nicht. Wozu gibt es Kapuzen und Regenschirme? Aber in unserer modernen Gesellschaft gehört es zum guten Ton zu wissen, dass es zwischen 15:03 und 15:27 regnen wird und die Wolken dafür gerade aus der Kölner Bucht oder Buxtehude heraufziehen. Wehe, wenn's dann anders kommt! Wie freudlos ist es doch, wenn uns selbst die Natur nicht mehr überraschen kann. Nina Pauer hat sich im Zeitmagazin mit diesem Phänomen auseinandergesetzt und mit ihrem Text einfach Recht. Sorry not sorry!
» Die fixe Idee der Ermächtigung
Heute schon gegähnt?
Ich musste schon beim Vorschaubild dieses Videos gähnen. Wer es schafft in 88 Sekunden nicht mitzugähnen hat entweder die Willenskraft eines Shaolin-Mönchs oder einfach die Spiegelneuronen kaputt.
» Gääääääääääääääääääääääähn
Kunst ohne KI
Jedes Jahr finden die French Open statt. Das berühmte Tennisturnier in Paris wird in Frankreich Roland Garros genannt. Am 8. Juni ging das diesjährige Turnier zu Ende. Jedes Jahr gibt es ein eigenes Poster. Joan Buis hat eine kleine Website gebaut, die alle diese Kunstwerke seit 1980 zeigt. Obwohl das Thema so eng ist, ist jede Idee völlig eigenständig und stark. Eine spannende Design-Reise, unabhängig von der Sportart.
» Ob KI das auch könnte?
Das Leben nach dem KI-Tod
Die künstliche Intelligenz, sie macht vor nichts und niemandem halt. Selbst Schauspieler*innen können durch sie ersetzt werden. Aber was machen all diese Avatare, wenn sie ihrer Aufgabe nachgekommen sind? Was machen sie zwischen den Dreharbeiten? Haben sie ein Streikrecht? Dürfen sie Forderungen stellen? Ein KI-Kurzfilm über ein »KI-Problem«. Ziemlich Meta.
» Afterlife
Wandkunst
Eine klassische Schönheit ist Wuppertal, dieses Amalgam aus Barmen und Elberfeld plus eingemeindeten Dörfern eher nicht. Natürlich hat die Stadt viel zu bieten: die Schwebebahn kennt jedes Kind und auch Heroin wurde hier erfunden. Doch seit zwei Jahren entwickelt sich dort etwas, das die Stadt auch an ihren weniger schönen Ecken sehr entdeckenswert macht: riesige Wandgemälde. 24 gibt es mittlerweile über die Stadt verteilt und allein für die lohnt sich ein Besuch. Danach kann man ja immer noch Schwebebahn fahren oder Heroin besorgen. Zur Vorbereitung auf die Kunst, nicht die Drogen, gibt's jetzt eine eigene Website. Es lohnt sich – in echt aber auch digital.
» Wa(h)ndsinn
Damals geschrieben
#28/2024: Die Geldanlage. Das Glück.
#28/2023: Die Fortbewegungsverköstigung. Das Duschbier.
Gedanke der Woche
»Eines Tages wirst du aufwachen und keine Zeit mehr haben für die Dinge, die du immer tun wolltest. Tu sie jetzt.«
Paulo Coelho
Bild der Woche

Frage der Woche
Ab welchem Preis pro Kugel sollte man sich eine Eismaschine kaufen?
Die geheime Durchhaltsache
Der Versuch 2025, statt eines großen Vorsatzes, eine kleine Sache jeden Tag zu machen.
Diese Woche: 0/7 | Insgesamt: 78/195 | Stimmung 🦥
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