Tobias Sammelsurium der Woche #37/2025
Ich war Grundschüler, als ich jeden Morgen erlebte, wie meine Freunde von Gegenüber, die jüdischen Brüder Arvid und Sören, unter Polizeischutz mit Blaulicht vom Schulbus abgeholt wurden.
Ich war neun, als in Rostock-Lichtenhagen in pogromartigen Ausschreitungen vietnamesische Gastarbeiter und Asylbewerber gejagt wurden.
Ich war zehn Jahre alt, als wir im Radio vom Brandanschlag auf die türkischstämmige Familie Genc in Solingen hörten. Das jüngste Opfer war erst vier.
Ungefähr zu dieser Zeit kam Drita in unsere Klasse. Sie war mit Ihrer Familie vor dem Jugoslawienkrieg geflohen. Kein Wort sprach oder verstand sie. Bei einem Schulfest sollten wir als Gruppe Sprichwörter pantomimisch darstellen. Drita bekam von der Klassenlehrerin ein Kissen unter den Pulli gesteckt. Wir bildeten eine Polonäse, Drita lief ganz hinten. Das Sprichwort? »Das dicke Ende kommt zum Schluss«.
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Seit frühester Kindheit habe ich Rassismus erlebt, war aber nie selbst betroffen. Ich habe ja gewonnen in der Lebenslotterie, bin männlich, biodeutsch, hetero und komme aus gesitteten Verhältnissen.
Heute bin ich 42 und sehe die Kommunalwahlergebnisse aus Nordrhein-Westfalen. 80 Jahre nach dem Untergang des dritten Reichs geht auch hier jede fünfte Stimme an eine gesichert rechtsextremistische Partei, die nicht anerkennt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, die nicht anerkennt, dass alle Menschen die selben, unveränderlichen Rechte haben; eine Partei die all das verneint, was unsere liberale Demokratie seit der Gründung der Bundesrepublik ausmacht.
Es gibt nur eine Antwort:
Sage nein!
T.