Tobias Sammelsurium der Woche #51/2025

Die Bundeswehr betreibt in Hamburg und München jeweils eine Universität. Wer jetzt meint, hier ginge es um Wehrtechnik, Führung und Militärstrategie, liegt nicht ganz richtig.

Seit einigen Jahren schon wagt man sich dort unter der Leitung von Prof. Philipp Rauschnabel mit Studien rund um das Weihnachtsfest aus der Welt des olivgrünen Flecktarns in die Welt der sattgrünen Tannenbäume.

Ob es sich hierbei um einen Ablenkungsversuch von der weltpolitischen Gesamtsituation handelt oder um eine etwas sonderbare Nutzung von Steuergeldern ist nicht ganz offensichtlich.

Jedenfalls deckt das 89-seitige Ergebnis eine Fülle von Weihnachtsfakten auf, die dem deutschen Volk bisher wahrscheinlich völlig unbekannt sind. Ob Reisestress an den Feiertagen, die Kirchenbesuchsquote oder WAInachten, gemeint ist die Frage von KI-Nutzung zum Fest; hier wird alles durchleuchtet, was man schon immer kaum wissen wollte.

Mein Highlight ist, dass an jedem zehnten deutschen Weihnachtsbaum dieses Jahr eine Gurke hängen soll. Hierbei handelt es sich angeblich um einen Trend aus den USA, der auf eine deutsche Tradition zurückgehen soll. Huh?

Wer zuerst die aus Glas oder Kunststoff geformte Gurke im Baum entdeckt, bekommt dieser amerikanisch-deutschen Trend-Tradition zufolge ein zusätzliches Geschenk.

Wer denkt sich sowas aus, frage ich mich. Reicht es nicht, wenn das Nadelgrün halbwegs pünktlich und halbwegs manierlich geschmückt zum Fest an seinem Stammplatz steht? Müssen wir jetzt noch Cornichon-geformte Objekte in den Baum hängen, damit wir noch mehr Geschenke haben? In mir macht sich da ein gewisser Zweifel breit.

Herr Rauschnabel wäre natürlich kein Professor seine Fachs, wenn er nicht unter 1.252 befragten Personen gewissenhaft erforscht hätte, wie viele Menschen diesen Trend überhaupt kennen (18% der Befragten) und das ganze dann noch in mikroskopischer Dünnschnitttechnik auf Männer, Frauen, Millennials, Boomer und nach Himmelsrichtungen geclusterten Menschengruppen auswerten würde. Am Ende bleibt die Erkenntnis: Interessiert kaum eine Sau, aber gut, dass wir mal ganz offen darüber gesprochen haben.

Das Fazit des Studienleiters ist ebenso überraschend wie revolutionär: »Weihnachten funktioniert dann besonders gut, wenn Menschen Traditionen pflegen und zugleich offen für neue Impulse bleiben. Gurken, Wichtel oder Anwendungen künstlicher Intelligenz stehen aus meiner Sicht in keinem Widerspruch zur Besinnlichkeit, sondern können sie sogar bereichern«. Wer hätte das gedacht?

Es wird dringend Zeit, dass der vorweihnachtliche Wahnsinn sein Ende findet und festliche Ruhe in diesem Land einkehrt. Ich wünsche dir eine wundervolle und erholsame Zeit mit all den Menschen, die dir wichtig sind.

Dir ein gurkenfreies Fest!
T.

Post der Woche

Fünf fürs Wochenende

Santa Claus is Coming to Ohrwurm

Wenn Radiohead »Santa Claus is Coming to Town« auf die Melodie Ihres und der exakten Intonation ihres Klassikers »Creep« singen, ist das entweder ein ganz besonderes Crossover oder doch eine KI-Idee. Ja, hier singt nicht Thom Yorke, aber es klingt genauso und macht damit diese vorweihnachtlich-melancholische Version unerwartet hörenswert.
» So very naughty

Augenpflege

In den 1990er Jahren gab es Holzrahmen, in die zwei Glasscheiben gesteckt waren und zwischen diese Scheibe waren bunter Sand und gefärbte Flüssigkeit eingelassen. Jedes Mal, wenn man den Rahmen drehte, fiel eine neue Wasser-Schnee-Szenerie gemächlich in eine abstrakte Pose. So ähnlich sind die Drohnen Videos, die Jan Erik Waider von den Schwarzsandstränden Islands gemacht hat. Eine Entspannungsübung für vorweihnachtlich überreizte Sehnerven.
» Ommmmmmm

Durchschaut

Remscheid, diese sehr kleine Großstadt in NRW, tut sich eher schwer auf der Weltbühne mitzuspielen. Allerdings kommt der Vater einer der wichtigsten medizinischen Erfindungen aller Zeiten von hier: Wilhelm Conrad Röntgen. Ohne ihn wiederum könnte der Fotograf Nick Veasey nicht seiner Kunst nachgehen, denn er fotografiert, oder besser gesagt röntgt, sehr großformatige Objekte, wie einen vollbesetzten VW Bus. Früher hätte das wohl eine tödliche Strahlendosis bedeutet, heute ist es ein  faszinierender Blick nicht hinter, sondern in die Dinge.
» Danke, Remscheid – Danke, Nick

Magnetikpunk

Meine Kinder fragen mich ja frecherweise gerne, ob die Welt in meiner Kindheit eigentlich noch schwarz-weiß gewesen sei und ich erst Farbe sehen kann, seit der Mann damals im Fernsehen den Knopf gedrückt hat. Nicht nur, dass das schon ein Vierteljahrhundert vor meiner Geburt war, nein, ich habe darüber hinaus auch keine aktiven Erinnerungen an Telexgeräte und Tonbandmaschinen. Mit der gleichen musealen Faszination, die mein Nachwuchs für mich hat, höre ich also die musikalischen Ergebnisse, die das japanische Open Reel Ensemble aus alten Tonbandmaschinen erzielt. Es braucht ein paar Sekunden bis sich das ganze erschließt, aber dann wird es doch wild und groovy.
» Zukunft made with Vergangenheit

Schneeeeeeeeeeeeeeeeeeell

Zu guter Letzt hier eine kleine Service-Empfehlung. Solange wir in einem Land leben, in dem man mancherorts dem Internet noch beim Laden zuschauen kann, ist es manchmal hilfreich zu wissen, wie schnell oder auch wie langsam die eigene Internetverbindung gerade ist. Darü gibt's tolle Speedtests mit Auswertungen, bis der Arzt kommt oder diese einfach Seite, deren Adresse sich jede*r merken kann. Tut genau eine Sache und diese exzellent gut: fast.com
» Was es für dich genauso schnell wie für mich?

Damals geschrieben

#51/2024: Das Unsichtbare. Das Spürbare.
#51/2023: Das Phrasenschwein. Die Bescherung.

Gedanke der Woche

»But I nearly forgot, you must close your eyes. Otherwise you won‘t see anything.«
aus Alice in Wonderland

Bild der Woche‌‌‌‌

Frage der Woche

Ist Festlichkeit ein erstrebenswerter Zustand?

1 Wochenrückblick in 1 GIF‌‌‌‌‌‌

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