Tobias Sammelsurium der Woche #10/2024
Wir Menschen, die im Jahr 2024 in Westeuropa leben, leben vermutlich in der besten aller Zeiten. Wir kennen keinen Krieg und keinen Hunger. Strom und Wasser kommen aus der Wand. Die Versorgungslage ist exzellent, denn es gibt ganzjährig frische Erdbeeren, Mineralwasser aus Italien und Zuckerschoten aus Kenia. Alles ist überall 24 Stunden am Tag verfügbar und wird im Bestfall sogar gratis bis an die Tür geliefert.
In dieser besten aller Zeiten diskutieren wir, ob die 35-Stunden-, die Vier-Tage-Woche oder doch die 20-Stunden-Woche, bei vollem Lohnausgleich, das bessere Arbeitszeitmodell wäre.
Die Fronten sind verhärtet wie damals bei der Abschaffung der Samstagsarbeit. Streikwellen und Wellenstreiks wogen durch das Land. Viele Forderungen sind mehr als berechtigt (Gender Pay Gap!), manche aber auch schlicht unverschämt. Die sogenannten Sozialpartner leben als wäre die Trennung lange durch, nur die Scheidung reicht keiner ein, weil's ohne einander dummerweise nicht geht.
Wir Menschen streben immer nach dem ganz Großen: allgemeines Lebensglück, Erfüllung im Beruf und Weltfrieden wären gerade Recht. Das ist großartig, weil es zeigt, was möglich wäre. Aber der Alltag bietet eben auch banale Normalität. Da ist vieles nicht groß, sondern hat eher den Charme einer beigen Übergangsjacke.
Diese Woche war so eine beige Woche bei mir. Unspektakulär, normal, bald vorbei. Echt? Nö. 10 Bund Narzissen, die eine Vase prachtvoll füllen und einen Raum gelb zum Leuchten bringen. Das schnelle Lächeln zwischen zwei Autofahrenden. Der müde Labrador, der auf dem Gehweg an meiner Hand schnuffelt. Das erste Mal wieder durch die Frühlingsluft mit Sonnenbrille fahren. Der herrliche Rest Heringsstipp zum Abendessen. Die äußerst nette Rückmeldung zu einem Projekt. Fünf kleine Momente, die schnell in Vergessenheit geraten könnten.
Der hier gerne zitierte Herbert G. aus Bochum nennt diese Momente »Sekundenglück«. Das gute daran? Im Gegensatz zum Lebensglück kann man die hier und jetzt erleben. Selbst wenn alles andere beige ist. Vor allem aber, macht viel Sekundenglück echtes Lebensglück. Nicht irgendwann sondern jetzt. Dafür gehe ich dann auch gerne ein bisschen länger arbeiten.
Dir ein aufmerksames Wochenende
T.
Post der Woche
Fünf fürs Wochenende
In Her Chair
Schweizer Top-Manager werden, in einem sehr professionellen Interview-Setting, Fragen gestellt, die sonst nur Frauen gestellt werden. Fremdscham-Alarm am Frauen(kampf)tag.
» The Future is Female
Pfannkuchen-Haie
Pfannkuchen sind eine sehr gute Sache. Sie bestechen mit köstlicher Variantenvielfalt im Belag. Sie sind nur in der Formgebung etwas, nun ja, einfallslos. Es sei denn, der Teig kommt aus einer Flasche. Dann hat die Fantasie freies Spiel.
» Hai five für diese Idee
1924
Wie war das Leben vor genau 100 Jahren? Wenn man sich die Bilder ansieht, die Alan Taylor in The Atlantic zusammengestellt hat, betritt man eine Welt, die anders und identisch zugleich ist. Ein faszinierender Blick nach hinten, der die Frage aufwirft, wie unsere Bilder 2124 wirken werden.
» Zeitmaschine
Jump around!
Drei Menschen, vermutlich Vater, Tochter und Sohn, ein Ballon und ein Laubbläser sind zusammen in einer Küche; das ist das Setting. Was dann passiert ist so schön und so schreiend komisch, dass man gute Laune bekommen muss. Falls nicht, erstatte ich dir den Kaufpreis für diese Ausgabe des Sammelsuriums. No questions asked.
» Jump! Jump! Jump!
Amsterdam bekunsten
Fraenky ist ein niederländischer Künstler, der seine Heimatstadt Amsterdam gerne verschönert. Nicht mit den ganz großen Installationen, sondern mit kleinen, charmanten Interventionen.
» Prachtig!
Gedanke der Woche
»Wenn alles still ist, geschieht am meisten.«
Søren Kierkegaard
Bild der Woche
Frage der Woche
Was denkst du, wie andere dich beschreiben?