Tobias Sammelsurium der Woche #21/2025

Viele Menschen verbringen viel Zeit damit von A nach B zu kommen. Sie stoppen-and-goen sich durch verstopfte Innenstädte, frieren an zugigen Bahnhöfen, bleiben irgendwo ungeplant auf dem Gleis bei Wunstorf stehen oder machen kilometerlang Autobahnabschnitte zu Freiluftparkplätzen.

Der britische Werber Rory Sutherland hat sich die Frage gestellt, ob unsere mathematische Herangehensweise an die Lösung solcher Knubbelungen eigentlich sinnvoll ist.

Seit langem versuchen die Briten beispielsweise, mit High Speed 2 eine Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen London und Birmingham zu bauen. Sie ist die mathematische Antwort auf die Frage, wie viele Menschen zwischen den beiden Städten pro Tag hin- und herreisen.

Mehr Kapazität plus mehr Geschwindigkeit, gleich gelöstes Problem. Ist natürlich nicht ganz billig. Mittlerweile geht man von Kosten in Höhe von schnuckeligen 106 Milliarden Pfund Sterling aus.

Das mehr Kapazität nicht einfach alle Probleme löst, sondern sogar neue schafft, sieht man an sechs- und achtspurig ausgebauten Autobahnen, die immer noch voller Stau sind. Angebot schafft eben auch Nachfrage.

Sutherland fragt sich also, wie  man das Problem auch hätte lösen können und kommt auf folgende Idee: Hätte man die Kreativen von Disney gefragt, wären sie wahrscheinlich in der Lage gewesen mit einem Bruchteil des Budgets ein derart großartiges Bahnfahrterlebnis zu schaffen, dass es den Reisenden völlig schnuppe wäre, dass sie immer noch auf konventionellen Strecken mit langsamen Zügen durch die Landschaft zockeln. Die Reise wäre plötzlich das Ziel und nicht das Mittel zum Zweck.

Als ich diese Woche im Stau stand, las ich illegaler Weise vom Britannic Explorer; einem Zug im Stil des Orient Express, mit dem man von London aus eine rollende Drei-Tage-Tour durch Wales buchen kann. Allein beim Anblick der Waggons senkte sich mein Plus wahrscheinlich um 20 Schläge pro Minute. Mit einem Preis ab 6300 Pfund ist der Trip allerdings nicht ganz auf Ryanair-Preisniveau.

Vor mich hin wartend dachte ich »Hier liegt doch ein gigantisches Potenzial für die deutsche Automobilindustrie«. Sobald das vertrackte autonome Fahren endgültig Realität geworden ist, lassen wir uns gerne auf unausgebauten aber landschaftlich reizvollen Nebenstraßen von A nach B kutschieren. Die Autos müssten nur einen Innenausbau, wie der Britannic Explorer haben oder von Disney entwickelt werden. Zwei Stunden zur Arbeit? Gar kein Problem. Erst in drei Tagen bei der buckligen Verwandtschaft ankommen? Her damit!

Die Zukunft als globale dreißiger Zone? Ich hätte nichts dagegen.

Dir ein entschleunigtes Wochenende!
T.

Post der Woche

Fünf fürs Wochenende

Die DNA der Musik

Neue Musik entsteht nicht im luftleeren Raum. Wie Menschen hat sie Vorfahren. Manchmal kann man hören, welches Stück ein anderes geprägt hat. Manchmal sind die Zusammenhänge aber auch deutlich feiner und über Generationen miteinander verwoben. Diese Seite stellt brillant die Verbindung zwischen den Songs her – unbedingt die Variante mit Ton auswählen!
» Von Ray Charles zu Kendrick Lamar

Mars Sucks

In den letzten Wochen scheint der reichste Mann der Welt auch in der Gunst seines orangenen Präsidenten tief gesunken zu sein. Ob er schon verglüht ist, weiß man nicht. Warum seine Idee, den Mars zu besiedeln, eine teure, aber keine schlaue Idee ist, zeigt dieses schon zwei Jahre alte Video ganz wunderbar. +1000 Aura für die Musik.
» SOS Planet Earth

#everynamecounts

Das Projekt »everynamecounts« erfasst die Namen und Daten von Opfern des Nationalsozialismus, damit auch 80 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reichs, das Vergessen verhindert wird. Dazu kann man ohne Registrierung helfen, Dokumente zu digitalisieren. Was man dafür braucht? Einen Computer, Tablet oder Smartphone, die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben und ein paar Minuten Zeit. Man hilft Namen, Geburtsdaten und ähnliche Infos aus Scans abzutippen. Indem das gleiche Dokument mehreren Menschen vorgelegt und die Ergebnisse verglichen werden, wird sichergestellt, dass sich keine Fehler einschleichen. 280.000 Menschen haben schon mitgeholfen.
» Gegen das Vergessen

Erfolgreich gescheitert

Kopenhagen wollte bis 2025 klimaneutral werden. Formal sind die Dänen damit gescheitert und trotzdem viel weiter gekommen, als viele und vor allem auch sie selbst vermutet hätten. Ein beeindruckendes Beispiel, was möglich ist, wenn man einfach anfängt, selbst wenn es hinterher länger braucht, als erwartet.
» Ein ambitioniertes Ziel ist die treibende Kraft zum Handeln

Die Frühstücksmaschine

Die Knetfiguren Wallace und Gromit leben in einer liebenswert spinnerten Welt, in der der Erfinder und sein Hund immer neue Abenteuer erleben. Unter anderem hat Wallace eine Frühstücksmaschine erfunden, die ihm das automatische Aufstehen und die Zubereitung seines Frühstücks erleichtert. Jetzt hat der YouTuber »Joseph's Machine« aus der Knetwelterfindung eine echte Maschine gebaut. Inklusive Marmelade, die auf den springenden Toast geschossen wird. Großartig!
» Endlich nützliche Robotik

Damals geschrieben

#21/2024: Die Schimpfwortforschung. Die Verwandtenbeleidigung.
#21/2023: Das Behördenschreiben. Die Vollkaskomentalität.

Gedanke der Woche

»Lieben will ich, bis mir das Fleisch von der Seele fällt.«
Konstantin Wecker

Bild der Woche‌‌‌‌

Frage der Woche

Wie früh muss der Vogel sein um die besten Würmer zu fangen?

Die geheime Durchhaltsache

Der Versuch 2025, statt eines großen Vorsatzes, eine kleine Sache jeden Tag zu machen. 
Diese Woche: 1/7 | Insgesamt: 74/142 | Stimmung 🦥

1 Wochenrückblick in 1 GIF‌‌‌‌‌‌

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